Rassistische Einlasskontrollen beim Tübinger Club Frau Holle – ein „Testing“, das von adis e.V. organisiert und in Kooperation mit 8 Schwarzen jungen Männern und dem Schwäbischen Tagblatt durchgeführt haben, hat in den letzten Wochen Schlagzeilen in lokalen und regionalen Medien gemacht (Links am Ende des Texts).
Damit sind schmerzhafte Erfahrungen von Rassismus und Ausschluss, die zur alltäglichen Lebenserfahrung vieler Schwarzer und anderer rassifizierter Menschen in Deutschland gehören, sichtbar gemacht worden: Rassismus trifft Menschen in allen Lebensbereichen, auch ihrer Freizeit; Rassismus hat massive Konsequenzen für Betroffene, auch weil Menschen solche Erfahrungen immer wieder machen.
Im Folgenden möchten wir den Fall kurz aus der Perspektive der Antidiskriminierungsberatung einordnen und einige Hintergrundinformationen geben.
Doch zunächst einmal – was ist passiert?
Seit einiger Zeit haben sich unabhängig voneinander verschiedene Menschen an die Antidiskriminierungsberatung von adis e.V. gewandt, weil sie an der Tür des Tübinger Clubs „Frau Holle“ abgewiesen wurden. Ihre Gemeinsamkeit: Es handelte sich um Schwarze junge Männer. Diese Häufung und die Art und Weise, wie die Betroffenen abgewiesen wurden, legt nahe, dass bei dem Ausschluss dieser Personen um ein strukturelles Problem handelt. Daher haben sich die Ratsuchenden und das Beratungsteam von adis e.V. entschieden, ein sogenanntes Testing durchzuführen.
Was ist ein Testing und wie lief es ab?
Ein Testing ist – neben z.B. dem Beschwerdebrief und dem Vermittlungsgespräch – eine etablierte Intervention in der Antidiskriminierungsarbeit. Dabei wird das Verhalten einer Person daraufhin überprüft, ob sie sich (mindestens) zwei Personen gegenüber unterschiedlich verhält, die sich in einem Diskriminierungsmerkmal unterscheiden, jedoch sonst möglich ähnlich sind (Antidiskriminierungsstelle – Forschungsprojekte – Die Anwendbarkeit von Testing-Verfahren ). Durch dieses Verfahren kann Diskriminierung direkt beobachtet werden. Gegebenenfalls können auch Indizien für ein gerichtliches Verfahren gesammelt und die diskriminierungsverantwortliche Seite konfrontiert werden.
In diesem Fall haben sich insgesamt 8 Schwarze und 3 weiße Personen bereit erklärt, an dem Testing teilzunehmen. Alle waren ähnlich gekleidet, nüchtern und verhielten sich höflich. In Zweiergruppen stellten sie sich in die Schlange vor dem Club. Mitarbeitende von adis e.V. und dem Schwäbischen Tagblatt beobachteten die Situation und machten Notizen. Das Ergebnis war eindeutig: Alle Schwarzen Teilnehmenden des Testings wurden abgewiesen, während die weißen Personen Zutritt erhielten.
Rassismus als strukturelles Problem
Das Ergebnis des Testings zeigt ganz klar: Auch in Tübinger Clubs werden Schwarze junge Männer systematisch abgewiesen, und der Grund dafür ist Rassismus. Häufig wird versucht, dem Rassismusvorwurf drei Argumente entgegenzubringen, die leicht zu entkräften sind:
- Die jungen Schwarzen Männer seien aufgrund ihres Verhaltens abgewiesen worden
Die Teilnehmenden unseres Testings waren weder betrunken noch aggressiv, und sie haben auch nicht gegen einen Dresscode verstoßen. Von den Gästen, die ohne Probleme reingekommen sind, hat sie nur ihre Hautfarbe unterschieden.
- Die jungen Schwarzen Männer seien aufgrund schlechter Erfahrungen mit anderen Schwarzen jungen Männern abgewiesen worden
Dieser Begründungsversuch beruht bereits selbst auf rassistischen Vorannahmen, Stereotypisierungen und Stigmatisierung. Vorverurteilung und der anlasslose Ausschluss von Menschen aufgrund bestimmter Diskriminierungsmerkmale ist verboten (siehe auch die Debatten um racial Profiling)
- Die Türsteher_innen sind nicht rassistisch, z.T. haben sie selbst Migrationsgeschichte
Unser professionelles Verständnis von Diskriminierung fußt auf der Überzeugung, dass nicht die Absicht, sondern die Wirkung einer Handlung entscheidend ist. Rassismus ist ein historisch tief verwobenes System, es prägt Denkmuster, die oft unbewusst bleiben und dennoch – oder gerade deshalb – besonders wirkmächtig sind. Menschen – auch Türsteher_innen – können also rassistisch handeln, ohne es zu oder auch rassistischen Anweisungen folgen.
Nach dem Testing – wie geht es weiter
Das Testing hat einige Wellen der Aufmerksamkeit geschlagen. Wie geht es danach weiter?
- Rassismuskritische Schulungen: Um einen nachhaltigen Wandel anzustoßen, sollen Betreiber_innen von Clubs wie auch das Personal für die Diskriminierungsrisiken im Nachtleben sensibilisiert werden. Im Rahmen der Kampagne „Nachtsam. Mit Sicherheit besser feiern“ bietet adis e.V. in Kooperation mit AGIT Anlaufstelle sexualisierte Gewalt in Tübingen Schulungen zur Prävention von sexueller Belästigung im Nachleben an (Geschlechtsbezogene Gewalt – Universitätsstadt Tübingen). Das Angebot soll für das Themenfeld Rassismus erweitert werden.
- Einzelfallberatungen: Weiterhin bieten wir Einzelfallberatungen für Menschen in Tübingen und Reutlingen, die von Diskriminierung betroffen sind. Wir beraten unabhängig, vertraulich und kostenlos und stehen an der Seite der Betroffenen. Grundsätzlich gibt es auch die Möglichkeit rechtliche Schritte nach dem AGG einzuleiten. Dazu berät die Antidiskriminierungsberatung ebenfalls.
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