In der „Stadtbild“ Debatte in Tübingen werden Menschen pauschal aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihrer Herkunft abgewertet. Boris Palmer verwendet dabei immer wiederkehrende rassistische Narrative: wie die Verknüpfung von Kriminalität und Migration oder der Unterstellung vom mangelnden Integrations- oder Arbeitswillens.
Diese Aussagen sind rassistisch. Boris Palmer trifft diese Aussagen – immer wieder. Wir haben genug davon.
Denn diese Worte treffen. Es trifft all die Tübinger_innen mit Migrationsgeschichte, mit Fluchtgeschichte, Schwarze Deutsche, Menschen, die seit vielen Generationen in Deutschland leben oder gerade erst hierhergekommen sind. Das sind Menschen, die Tübingen ihr zu Hause nennen. Sie werden vom Oberbürgermeister der Stadt Tübingen immer wieder abgewertet, für fremd erklärt, unter Verdacht gestellt, angegriffen und verletzt.
Alle Menschen haben laut Grundgesetz das gleiche Recht auf den öffentlichen Raum. Auch in Tübingen – ob im Botanischen Garten, im Anlagenpark, am Bahnhof und vor dem Epplehaus. Das ist ein Grundrecht und es ist nicht verhandelbar.
Gruppen von Menschen im öffentlichen Raum für unerwünscht und störend zu erklären und sich ihr Verschwinden zu wünschen ist menschenverachtend. Es sind keine harmlosen Äußerungen. Es ist brandgefährlich, Positionen von der Vertreibung von „Unerwünschten“ und „Remigration“ zu übernehmen und zu vertreten. Ob dahergesagt, Tabubruch oder Strategie – es ebnet den Weg für menschenfeindliche Politik, stärkt die AfD und andere rechtsextreme Kräfte.
Diese Debatten haben auch erwiesenermaßen nicht den Effekt, die AfD zu schwächen. Mit seiner Rhetorik stärkt Boris Palmer rechte Positionen auch in Tübingen. Ähnlich wie bei der Podiumsdiskussion im September in Tübingen, als er die AfD, die bisher in der Stadt Tübingen kaum einen Fuss auf den Boden bekommen hat, aktiv eingeladen und ihren menschenfeindlichen Positionen eine Bühne geboten hat. Er hat damit den Grundkonsens gebrochen, dass Rechtsextreme in Tübingen keine Plattform bekommen.
Wir erleben als Antidiskriminierungsberatungsstelle, dass rassistische Diskriminierung im öffentlichen Raum in Tübingen und der Region ein großes Problem ist. Wir haben so viele Fälle von rassistischer Beleidigung, rassistischer Personenkontrolle und Verweigerung von Teilhabe und Zutritt.
Bundesweit sind rassistische Gewalt und Anfeindungen in kürzester Zeit angestiegen – und gleichzeitig wird bei Schutz, Beratung und Prävention gekürzt.
Die „Stadtbild“ Debatte verschärft die Situation und befeuert sie auch in Tübingen. Viele Menschen mit Rassismuserfahrung sind enttäuscht, haben zunehmend Angst, Sorge und auch Wut. Immer mehr sind müde, weil ein rassistischer Tabubruch dem nächsten folgt. Viele Menschen fühlen sich in Tübingen schon lange nicht mehr zuhause.
Außerdem wird in der „Stadtbild“ Debatte wieder einmal ein rassistisches Narrativ bedient, das pauschal „fremde“ Männer als Täter und weiße Frauen als Opfer zeichnet. Dabei ist erwiesen, dass das Problem Männer sind – egal welcher Herkunft.
Es ist so respektlos, es ist anstandslos Erfahrungen von sexualisierter Gewalt zu instrumentalisieren. Shame on you.
Natürlich sehen auch wir Probleme im öffentlichen Raum, zum Beispiel Armut, Gewalt und mangelnde Perspektiven. Wir wünschen uns eine Stadt, die komplexe Lösungen für komplexe Lebenssituationen sucht und nicht gesamtgesellschaftliche Probleme auf marginalisierte Gruppen abwälzt und ihnen die Schuld zuweist. Als kurzfristigen Hebel wünschen wir uns eine Stadt, in der die Soziale Arbeit im öffentlichen Raum wie offene Jugendarbeit und Streetwork nicht abgebaut sowie Empowerment- und Community Arbeit gestärkt wird.Und es braucht die Solidarität von Menschen in Tübingen, die nicht von Rassismus oder Diskriminierung betroffen sind – so viel Schweigen, so viel Zuschauen ist kaum zum Aushalten. Wir fragen uns, wenn sich nicht jetzt Einmischen, wann dann?
Als Antidiskriminierungsstelle möchten wir betonen, dass es ein gängiges Muster ist gesellschaftliche Problemlagen auf dem Rücken marginalisierter Gruppen auszutragen. Wir beobachten, dass auch die Feindlichkeit gegenüber trans, queeren, behinderten, armen und andere Personen zunimmt. Als Betroffene sind wir immer alle mitgemeint.
Wir lassen uns nicht gegeneinander aufbringen und spalten. Schwarz, Muslimisch, Jüdisch, Trans, Queer, Behindert, Arm, Geflüchtet und viel mehr: Wir alle sind das Tübinger Stadtbild!