
Was ist der Internationale Tag für die Beseitigung der Armut?
- Der Tag wurde 1992 von den Vereinten Nationen (UN) ausgerufen. Der Aktionstag geht auf den 17. Oktober 1987 zurück – an diesem Tag versammelten sich 100.000 Menschen, um sich mit den Betroffenen von Armut zu solidarisieren.
- Ziel: Aufmerksamkeit für Menschen in Armut schaffen und Regierungen weltweit an ihre Verantwortung zur Beseitigung von Armut erinnern. Der Tag fordert globale und nationale Maßnahmen zur sozialen Gerechtigkeit und Menschenwürde für alle und ruft dazu auf, Armut als Menschenrechtsfrage zu begreifen – nicht als individuelles Defizit.
- „No Poverty“ (keine Armut) ist das erste Nachhaltigkeitsziel (Sustainable Development Goal – SDG) der Agenda 2030 der Vereinten Nationen (UN). Es verpflichtet alle Staaten, Armut in all ihren Formen und überall zu beenden.
Wie wird Armut definiert?
Der Entwicklungsausschuss der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) versteht unter Armut die Unfähigkeit, menschliche Grundbedürfnisse zu befriedigen. Zu diesen gehören der Konsum und die Sicherheit von Nahrungsmitteln, Gesundheitsversorgung, Bildung, Ausübung von Rechten, Mitsprache, Sicherheit und Würde sowie menschenwürdige Arbeit.
- Absolute Armut besteht, wenn Menschen ihre grundlegenden Bedürfnisse (Essen, Wasser, Unterkunft, medizinische Versorgung) nicht decken können.
- Relative Armut besteht, wenn Menschen im Verhältnis zur Gesellschaft, in der sie leben, von sozialer und wirtschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen sind. In Deutschland gelten Menschen, die über weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens verfügen, als „armutsgefährdet“.
Aktuelle Zahlen:
- Weltweit leben laut UN noch immer rund 700 Millionen Menschen in extremer Armut (unter 2,15 US-Dollar pro Tag).
- In Deutschland gelten 2024 rund 14,6 Millionen Menschen (17,4 %) als armutsgefährdet. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland mit seiner Armutsgefährdungsquote im unteren Mittelfeld. Besonders betroffen: Alleinerziehende, Kinder, Rentner*innen, Menschen mit Behinderungen, Menschen mit Migrationshintergrund und Geflüchtete.
- Sozialer Aufstieg: Laut einer Studie der OECD kann es in Deutschland im Schnitt bis zu sechs (!) Generationen dauern, bis die Nachkommen einer einkommensschwachen Familie das Durchschnittseinkommen erreichen.
Armut als Diskriminierungskategorie (Klassismus)
- Armut bedeutet nicht nur ökonomische, sondern auch soziale Abwertung – Menschen in Armut erleben oft Klassismus: Diskriminierung aufgrund sozialer Herkunft und/oder ökonomischen Status. Klassistische Strukturen äußern sich in Vorurteilen („faul“, „bildungsfern“) und in ungleichem Zugang zu Anerkennung, Chancen und Macht.
- Vor allem das neoliberale Aufstiegsversprechen, das jeder*jedem einen Aufstieg verspricht, die*der sich nur genug anstrengt, verschärft Vorurteile gegenüber Menschen, die in Armut leben. Frei nach dem Motto: „Jeder kann es schaffen – und wer es nicht schafft, sich selbst aus der Armut zu befreien, hat sich nur nicht genug angestrengt!“.
- Dabei sind Gründe für Armut sehr vielfältig: Im globalen Norden sind besonders Arbeitslosigkeit, niedrige Löhne, alleinerziehend zu sein, mangelnde Kinderbetreuungsangebote, Pflege von Angehörigen und (chronische) Krankheit Faktoren. Im globalen Süden sind die Hauptursachen oft Ausbeutung, Kriege und der Klimawandel.
- In Deutschland verschärfen aktuell politische Debatten um das Bürgergeld und die neue Grundsicherung diese Ungleichheiten – durch restriktivere Auflagen und das Narrativ von „Leistung und Gegenleistung“.
Was können wir als Gesellschaft tun?
- Solidarität zeigen: Armut anerkennen, ohne zu stigmatisieren.
- Politisch aktiv werden: Faire Löhne, soziale Sicherheit, Bildung und Gesundheit als Grundrechte einfordern.
- Barrieren abbauen: Zugang zu Wohnen, Arbeit, Kultur und digitaler Teilhabe sichern.
- Klassismus hinterfragen: Sprache, Medienbilder und Politik kritisch betrachten.
- Empowerment stärken: Betroffene zu Wort kommen lassen – statt über sie zu sprechen.
- Systemfrage: Visionen entwickeln und verfolgen wie eine Gesellschaft ohne Armut aussieht