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Eine horizontale Weiterbildung zur Empowerment-Trainer*in

  1. Ausgangslage/ Wer wir sind

Die Idee für eine horizontale Train-the-Trainer*innen-Weiterbildung im Empowermentbereich entstand bereits 2014, als einige Personen aus dem Leitungsteam gemeinsam an einer Fortbildung zur horizontalen Antidiskriminierungsberatung teilnahmen, die das Netzwerk Antidiskriminierung in Kooperation mit dem Antidiskriminierungsverband Deutschland (advd) in der Region Reutlingen/Tübingen ausgerichtet hat. In Gesprächen und Arbeitsgruppen sind uns die geteilten Erfahrungen der Diskriminierung, der Mechanismen der Abwertung und des Ausschlusses und auch vergleichbare Umgangsstrategien und Widerstandsformen bewusst geworden.

Es zeigte sich in den folgenden Jahren auch, dass in Baden-Württemberg ein großer Bedarf an ausgebildeten Empowerment-Trainer*innen herrscht, die Angebote für Jugendliche und (junge) Erwachsene machen können. Gleichzeitig gibt es deutschlandweit wenig Erfahrung in der systematischen Weiterbildung von Empowerment-Trainer*innen. Insbesondere gibt es kaum Angebote, die nicht nur auf eine spezifische Zielgruppe mit spezifischen Diskriminierungserfahrungen ausgerichtet sind.

Das Leitungsteam, das für die Konzeptentwicklung zuständig ist, besteht aus fünf Personen, die sich mit ihren eigenen (in diesem Team sehr unterschiedlichen) Diskriminierungserfahrungen auseinandersetzen, Empowerment-Arbeit machen, in vielfältiger Weise an Prozessen um gleiche Rechte und Selbstbestimmung beteiligt sind und sich mittlerweile beruflich im Netzwerk Antidiskriminierung Reutlingen/Tübingen e.V. einbringen.

Wir möchten in keinster Weise die Wichtigkeit und Notwendigkeit von Empowerment-Angeboten in geschützten, auf eine Diskriminierungsform hin ausgerichteten Räumen absprechen! Sie sind ein relevanter Teil unserer politischen wie beruflichen Praxis und unserer eigenen Empowermentprozesse. Wir möchten dennoch mit dieser horizontalen Weiterbildung pilothaft den Versuch wagen, in einer Ausbildungsgruppe sowohl Trainer*innen mit dem inhaltlichen Schwerpunkt auf Empowerment für Schwarze/People of Color als auch LSBTTIQ-Personen und/oder Menschen mit Behinderung parallel zu qualifizieren. Wir werden dabei sowohl in Kleingruppen mit gleichem Erfahrungsbezug arbeiten als auch gemeinsam in der Großgruppe. Davon versprechen wir uns innovative Impulse für die Empowermentarbeit, ob in geschützten Räumen oder in heterogenen Gruppen. Die Weiterbildung ist insgesamt auf 15 Teilnehmende beschränkt und vorwiegend auf Baden-Württemberg ausgerichtet.

  1. Unser Verständnis von einem horizontalen Empowermentansatz

Durch den mittlerweile inflationären Gebrauch des Begriffs „Empowerment“, der eine Beliebigkeit und Unklarheit mit sich bringt, erachten wir es als sehr wichtig klarzustellen, was wir unter dem Begriff nicht verstehen: Wir sehen zunehmend Empowermentansätze, die ahistorisch, unpolitisch und individualisierend sind und zur Selbstoptimierung oder zur Leistungssteigerung in ökonomischen Zwangsverhältnissen beitragen wollen/sollen. Davon grenzen wir uns ab.

Unser Grundverständnis ist, dass Empowerment-Räume von Kolleg*innen mit eigenen Diskriminierungserfahrungen angeboten werden sollten. Wenn es „geschützte“, also für eine Gruppe mit einer vergleichbaren Diskriminierungserfahrung geschlossene Räume sind, werden sie von Trainer*innen mit den entsprechenden Diskriminierungserfahrungen geleitet.

Aus diesem Grund werden wir diese Weiterbildung auch in einem Leitungsteam von Kolleg*innen mit verschiedenen eigenen Diskriminierungserfahrungen und verschiedenen theoretischen und berufs-praktischen Wissensbeständen anbieten.

In der Konzeptentwicklung haben wir festgestellt, dass es viele Verbindungen und Parallelen im Verständnis von Empowerment aus den verschiedenen Diskussions- und Denkzusammenhängen, aus denen wir kommen, gibt, aber auch Unterschiede. Wir möchten pilothaft erproben, ob es gelingt, einerseits bestimmte Diskussionen und Erfahrungen in geschützten Kleingruppen (5 TN) mit Teilnehmenden mit ähnlichen Diskriminierungserfahrungen zu teilen und andererseits Dialog- und Begegnungsräume in der Gesamtgruppe (15 TN) zu schaffen, in der Gemeinsamkeiten und Unterschiede deutlich werden können.

Inhaltlich basiert die Weiterbildung auf verschiedenen Empowermentansätzen, politischen und theoretischen Wissensbeständen aus der feministischen (Black Feminist Thought) und postkolonialen Theorie, konzeptionellen Ideen der Intersektionalität, der Analyse von Machtverhältnissen und Normalitätsvorstellungen, Wissen und Praxen aus Jugendsozialarbeit/Jugendkulturarbeit und einer eigenen Praxis des Umgangs mit unterschiedlichen Unterdrückungs- und Herrschaftsformen.

In der Empowermentarbeit mit Jugendlichen und (jungen) Erwachsenen mit Diskriminierungserfahrungen verbinden wir den Gedanken von Schutz und Unterstützung mit Möglichkeiten der Stärkung in Selbstbild und Selbstwahrnehmung und der Erweiterung ihrer Handlungskompetenz und eines Wissens, das sie betrifft.

Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass Empowermentangebote für Menschen mit Diskriminierungserfahrungen ein Verständnis ihrer Lebensrealitäten und ihrer Perspektiven auf die Welt benötigen. Es geht unter anderem darum, Folgen von Diskriminierung (unsichtbar gemacht werden, Ohnmachtsgefühle, Selbstzweifel, vermindertes Selbstwertgefühl) in empowernden Räumen über vielfältige Wege (Gespräche, künstlerisches Schaffen und Ausdruck, Wissenserarbeitung, Community-Arbeit etc.) entgegenzuwirken. Dabei steht für uns die Erkenntnis im Zentrum, dass Antidiskriminierungsarbeit ohne Empowerment nicht möglich ist und umgekehrt.

Als Diskriminierungserfahrung betrachten wir dabei nicht nur unmittelbare körperliche Gewalt oder Anfeindungen, sondern auch Erfahrungen von subtilen und/oder strukturellen Diskriminierungen, die oft auch für die Betroffenen nicht eindeutig erkennbar sind.

Wir haben in der Arbeit erlebt, dass beispielsweise Rassismuserfahrungen oft verknüpft sind mit anderen Erfahrungen der Ausgrenzung und Abwertung durch Zuschreibungen aufgrund von konstruierten Kategorien wie Geschlecht, sexueller Orientierung und Behinderungen/Körperbild. Auf diese Weise entstehen spezifische, verschränkte Diskriminierungserfahrungen, die den Lebensalltag von Jugendlichen und (jungen) Erwachsenen massiv belasten und in der pädagogischen Zusammenarbeit zur Sprache kommen und bearbeitet werden müssen.

Die Arbeit mit heterogenen Gruppen in heterogenen Teams erfordert unserer Ansicht nach Konzepte und Methoden, die der heterogenen Realität gerecht werden und horizontal sind.

Der horizontale Ansatz bezieht sich zum einen auf eine europäische und deutsche Gesetzgebung, in der Diskriminierung aufgrund verschiedener Merkmale gemeinsam in einem Gesetz (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz AGG) geregelt wurde. Zum anderen ist damit die Idee verbunden, dass zur Unterstützung der Betroffenen und zur Umsetzung des Antidiskriminierungsgedankens Anlaufstellen eingerichtet werden, die für alle (bzw. mehrere) Diskriminierungsmerkmale zuständig sind. In der Antidiskriminierungsarbeit hat sich gezeigt, dass eine Stelle mit gebündelter Kompetenz Menschen mit Diskriminierungserfahrungen die oftmals Kraft kostende Suche nach einem merkmalsspezifischen Hilfsangebot erspart. Ergebnisse und Erfahrungen der Arbeit aus verschiedenen Diskriminierungsbereichen können dokumentiert, verglichen und gegebenenfalls übertragen werden. Eine Antidiskriminierungsstelle setzt auch ein Signal, dass Diskriminierung als strukturelles Problem wahr- und ernst genommen wird und nicht nur ein Problem einzelner „gesellschaftlicher Minderheiten“ ist. Und ganz grundsätzlich begegnen uns Menschen, deren Diskriminierungserfahrungen sich nicht auf ein Merkmal begrenzen lassen. Die Verortung ist oftmals komplex. Das gilt für die Menschen, die in der Antidiskriminierungsstelle Rat suchen, aber ebenso für die Beratenden, die eigene Diskriminierungserfahrungen haben und damit situativ als Peers auftreten können ohne den professionellen Hintergrund zu vernachlässigen.

Was für die Antidiskriminierungsberatung allgemein anerkannt ist, ist in der komplementären Empowermentarbeit noch Neuland. Zudem mangelt es nicht nur an Wissen um die Wirkungsweise unterschiedlicher Diskriminierungsformen auf Jugendliche und (junge) Erwachsene, sondern vor allem auch an Empowerment-Konzepten, die horizontal, intersektional, quer gedacht werden. Dies ist der Ausgangspunkt unserer Überlegungen zur Notwendigkeit von der Vermittlung adäquater Methoden und Konzepten.

Es ist unserer Ansicht nach ein Gewinn, die Parallelen und Gemeinsamkeiten in der Funktionsweise verschiedener Diskriminierungsformen herauszuarbeiten und die Geschichte(n) der Kämpfe um gleiche Rechte und Befreiung verschiedener Gruppen zu erfahren, um ein solidarisches Miteinander und eine ernstgemeinte politische und emanzipatorische Praxis zu entwickeln.

  1. Von der Schwierigkeit der Zu- bzw. Festschreibung und der Produktion von neuen Ausschlüssen

Wir, die Personen des Leitungsteams, bezeichnen uns bezogen auf unsere Empowermentarbeit als queer, migrantisch, lesbisch, Schwarz, feministisch, PoC/WoC, nicht-binär, trans, behindert. Es ist uns bewusst: jede Person bringt eine große Bandbreite an Erfahrungen mit, jede Benennung birgt die Gefahr einer Zuschreibung, jede Gruppenkonstruktion die Gefahr der Reproduktion von konstruierten Kategorien und des Ausschlusses.

Mit unserer Grundidee sowohl in Kleingruppen mit den Schwerpunkten auf Rassismus/Ableismus/ Hetero- und Cissexismus, als auch in der Gesamtgruppe zu arbeiten, stehen wir vor der Schwierigkeit, dass sich die Teilnehmenden selbst einer dieser Gruppen zuordnen müssen (Erfahrung von Rassismus oder Ableismus, oder LSBTTIQ-Feindlichkeit). Durch die von uns gewählte Schwerpunktsetzung auf drei Kategorien schließen wir Personen aus, die Empowermentarbeit in anderen Bereichen machen. Es ist uns auch bewusst, dass durch die Zuordnung der Teilnehmenden nach Merkmalen womöglich ein Unbehagen entsteht, weil Kategorien (re-)produziert werden. Aufgrund konzeptioneller Überlegungen ist die Teilnahme in mehreren oder allen drei Gruppen nicht möglich.

Die Kleingruppe bietet wichtige Schutz- und Rückzugsräume, in denen eigene Diskriminierungserfahrungen ausgesprochen und gemeinsam reflektiert werden können.

Ein Grundsatz des Empowerment ist für uns, dass wir nicht über andere sprechen, sondern über uns, für uns.

Aus diesen Gründen, hoffen wir auf Ihr/dein Verständnis für diesen Umsetzungsversuch in der Praxis der Weiterbildung und möchten darum bitten, bei der Bewerbung anzugeben, in welcher Kleingruppe Sie/Du mitarbeiten wollen/willst, d.h. wo der größte persönliche Bezug bzw. der im Moment stärkste inhaltliche Schwerpunkt besteht und von Ihnen/dir gesetzt wird. Im persönlichen Gespräch haben wir sicher die Chance, Unklarheiten und offene Fragen zu klären.

  1. Ziele und Inhalte der Weiterbildung

Die Teilnehmenden erweitern mit dieser Weiterbildung ihre Kompetenzen,

  • … im Bereich der eigenen Selbst-ermächtigung und im Hinblick auf ihr eigenes Empowerment-Profil und Methodenrepertoire,
  • … selbständig empowernde Mikroprojekte, Workshops oder Aktionen mit Jugendlichen und (jungen) Erwachsenen zu konzipieren und durchzuführen.
  • … im Bereich der Vernetzung und Kennenlernen anderer Empowermentgeschichten und -kämpfe

Wir möchten in der Weiterbildung auch aufgrund des Pilotcharakters sehr prozessorientiert arbeiten, die Fragen, Anliegen und Lerninteressen der Teilnehmenden aufgreifen und die verschiedenen Erfahrungsressourcen der Beteiligten einbeziehen. Aus diesem Grund werden wir die Inhalte der jeweiligen Weiterbildungsmodule von Modul zu Modul gemeinsam mit der Gruppe festlegen und anschließend im Leitungsteam vorbereiten.

Folgende Themenbereiche und Ebenen sind uns wichtig, in welcher Intensität und in welcher Reihenfolge wir sie gemeinsam bearbeiten werden, wird sich im Prozess entwickeln.

  • Wissen erarbeiten, Wissen teilen: Auseinandersetzung mit zentralen Begriffen wie Empowerment, Rassismus, LSBTTIQ, Behinderung, Intersektionalität, Klasse/ökonomische Verhältnisse, Powersharing; Black Feminist Thought, historische Befreiungskämpfe, marginalisierte Geschichten und Bezugspunkte; Bezugspunkt AGG und Menschenrechte; verschiedene Ebenen von Machtverhältnissen und Machtstrukturen (Hierarchiereflexion); Stigmatisierungsprozesse; Umgang mit Stress und Trauma.
  • (Meta-)Kommunikation üben – differenziertes Sprechen über: Wie kann das Sprechen über Diskriminierungserfahrungen gelingen? Welche Voraussetzungen braucht es dafür? Dilemma von Gruppenzuschreibungen und realer Binnendifferenzierung; Fremd- und Selbstbezeichnungen; mit Sprache achtsam umgehen; narratives Sprechen als Empowerment; eine gemeinsame Sprache finden und sich verständigen; Gefühle, Ängste und Unsicherheiten – persönlich sprechen – Verantwortung übernehmen für Intensität, was ich den anderen zeigen möchte; Verschiedenheit und Widersprüchliches aushalten lernen.
  • Raum für Selbstreflexion und Praxisreflexion: Biografische Auseinandersetzung – Ausschluss- und Zugehörigkeitserfahrung; Auseinandersetzung mit eigener sozialer Positionierung, mit Privilegien, eigene Verstrickung in die gesellschaftlichen Machtverhältnisse; verinnerlichte Dominanz- und Unterwerfungsdynamiken; Widerstandstrategien; verschiedene Formen von Praxisreflexion mit Blick auf Kontextabhängigkeit von Handeln; Risiken und Nebenwirkungen von verschiedenen Methoden; eigene Anteile/Verantwortung an auftauchenden Konflikten; Reflexion der eigenen Empowermentpraxis; Auseinandersetzung mit der eigenen Grundhaltung: Ressourcenblick, Wertschätzung und Anerkennung, Achtsamkeit.
  • Die Gruppe leiten und die Einzelnen begleiten: Selbst-Ermächtigung als Leitung; Selbst-Ermächtigung erlebbar machen; gruppendynamische Prozesse erkennen, reflektieren und steuern; Zugehörigkeits- und Ausschlussprozesse in der Weiterbildungsgruppe reflektieren; gemeinsame Vereinbarungen zur Form und Art der Zusammenarbeit (Selbstverantwortung, Selbstachtsamkeit, eigene und fremde Grenzen wahren) treffen; gemeinsames Leiten im Team; Umgang mit Heterogenität und Verschiedenheit in der Gruppe/Team (Bedürfnisse, Geschwindigkeiten, Lerninteressen); verschiedene Rollen in der Leitung von Empowermentgruppen
  • Methodenrepertoire teilen und erweitern: verschiedene Zugänge im Bereich der Empowermentarbeit erproben: körperorientierte, biografische, theaterpädagogische, psychodramatische, künstlerische, ressourcenorientierte, bioenergetische Methoden; Einsatz von verschiedenen Materialien und Instrumenten erfahren: z.B. Naturmaterialien, Musikinstrumente, Phantasiereisen, Medien wie Filme, Gedichte, Lieder; Methoden zu verschiedenen Anlässen: Warm ups, Cool downs, Methoden zur Vertiefung von Prozessen; Methoden zum Wissenstransfer in der Gruppe; Achtsamkeit mit verschiedenen Lernsettings; verschiedene Strategien des politischen Widerstandes entwickeln, Abbau von Barrieren, Wellbeing und Selfcare.
  • Konzeption, Planung, Durchführung und Reflexion von eigenen Empowerment-workshops: Auswahl von Zielen, die zur Zielgruppe passen; Umsetzung der Ziele mit Hilfe von Methoden; Entwicklung von Konzeptionen die die Erfahrungen und Interessen der Teilnehmenden von Empwermentgruppen ins Zentrum stellen; solidarische Praxis herstellen – Bündnisse aufbauen, Entwicklung von politischen Aktionen.
  • Räume herstellen/ zur Verfügung stellen: Aufbau und Erhalt von Schutz-, Lern- und Freiräumen; Probehandeln und Selbstbestimmung ermöglichen; Bedeutung von Zeit – Pausen geben – Rhythmus finden; Bedeutung von Ritualen und klaren Anfängen und Enden/Abschlüssen.
  • Den Rahmen schaffen: Verortung von Empowermentworkshops – innerhalb/außerhalb einer Institution; Finanzierungsmöglichkeiten; politische Aktionen und Netzwerke.
  1. Unsere Arbeitsweise:

Horizontale Empowerment-Trainer*innen-Weiterbildungen, die verschiedene Diskriminierungs-formen im Fokus haben, und in denen diese auch als erlebte Realität durch die Teilnehmenden präsent sind, erfordern ein hohes Maß an Achtsamkeit, Sensibilität und Wissen. Es ist grundlegend, ein Verständnis dafür zu entwickeln, dass auch die Arbeit an horizontalen Empowerment-Konzepten, eine Verletzungsgefahr birgt: man bewegt sich immer in einem Spannungsverhältnis zwischen Gemeinsamkeiten/Solidarität/Parallelen in den Erfahrungen und der Gefahr der erneuten Reproduktion von Ausschlüssen. Gleichzeitig sehen wir in der Zusammenarbeit und der Entwicklung gemeinsamer Empowerment-Räume und -Projekte eine Chance: Nicht nur die Parallelen der Diskriminierungsformen, ihre Mechanismen und Strukturen, werden sichtbar, auch die Geschichte der Kämpfe um Anerkennung und gleiche Rechte unterschiedlicher unterdrückter Gruppen erweitern die Perspektive und die Horizonte aller Beteiligten – und somit auch ihrer Praxis.

Die Weiterbildung möchte alle Teilnehmenden positiv herausfordern, sich mit neuen Ansätzen, Methoden und Menschen auseinanderzusetzen und die gewonnenen Erkenntnisse mit anderen zu teilen. Wir verstehen die Weiterbildung als einen Lernraum, in dem auch die Personen aus dem Leitungsteam als lernende Subjekte partizipieren.

 

Welche Art und Weise der Zusammenarbeit wünschen wir uns in der Weiterbildung?

  • vertrauensvolle Lernatmosphäre ohne Leistungsdruck, in der neue Dinge ausprobiert werden können und Fehler gemacht werden dürfen (Werkstattcharakter),
  • aktives Einbringen der Teilnehmenden mit den eigenen Lerninteressen, aber gleichzeitig kein Lernen auf Kosten anderer,
  • hohe Selbstverantwortung in Bezug auf eigene Bedürfnisse, Empfindlichkeiten und Grenzen,
  • geduldiges Zuhören und Aushalten von Verschiedenheit und Widersprüchen, die in der Gruppe auftauchen,
  • Verständnis und Bereitschaft eine gemeinsame Sprache zu finden, d.h. sie teilweise auch zu entwickeln, um sprach-fähig zu werden,
  • bedingungslose Akzeptanz von Diskriminierungserfahrungen anderer,
  • wertschätzender und achtsamer Umgang miteinander, besonders mit Verletzungen, die sich zeigen,
  • Mut und Offenheit, sich selbst so authentisch wie möglich zu zeigen und die Dinge zur Sprache zu bringen,
  • Bereitschaft auftauchende Konflikte konstruktiv zu lösen,
  • Bereitschaft zur Selbstreflexion (was ist mein Anteil, an dem was gerade passiert? Wo bin ich verstrickt? Welche biografischen Erfahrungen werden aktualisiert?)
  • Aufmerksamkeit auf die Belange, Interessen und Perspektiven der Zielgruppe, der Jugendlichen und (jungen) Erwachsenen, die nicht anwesend sind (Reflexion damit einhergehender Hierarchien – Adultismus),
  • Vertrauen in den gemeinsamen Lern- und Entwicklungsprozess,
  • solidarisches miteinander lernen und wachsen, Gemeinschaft erleben, Raum für Leichtigkeit, Spaß und Freude.

 

Unsere Idee, im Erfahren der gemeinsamen Arbeit in der Weiterbildungsgruppe viel für unsere zukünftige Arbeit zu lernen, möchten wir mit einem Lern-/Erkenntnistagebuch arbeiten, es wird immer wieder Zeit geben, eigene Gedanken, Erlebnisse und Gefühle im Rahmen der Weiterbildung aufzuschreiben.

  1. Voraussetzung zur Teilnahme:

Da in unserem Verständnis Empowermentangebote für Menschen mit Diskriminierungserfahrungen von Trainer*innen mit Diskriminierungserfahrungen gemacht werden sollten, wünschen wir uns folgende Voraussetzungen für die Teilnehmenden:

  • eigene Diskriminierungserfahrungen (Rassismus, Ableismus/Behinderten-Feindlichkeit und/oder Hetero-/Cissexismus/LSBTTIQ-Feindlichkeit) und Bereitschaft sich mit anderen Diskriminierungserfahrungen auseinanderzusetzen,
  • Motivation selbst Empowermentangebote für Jugendliche und (junge) Erwachsene anbieten zu wollen und im Rahmen der Weiterbildung ein eigenes Konzept dafür zu entwickeln,
  • bestimmtes Maß an Lebenserfahrung und Erfahrung mit Selbstreflexion und Persönlichkeitsentwicklung,
  • Erfahrung in der Leitung von Gruppen,
  • erste Auseinandersetzung mit der eigenen gesellschaftlichen Positionierung, damit verbundenen Machtverhältnissen und eigenen Privilegien. Bereitschaft diese zu erkennen und damit bewusst umgehen zu wollen,
  • erste Beschäftigung bzw. Basiswissen zu den Themen Rassismus/Ableismus/Hetero- und Cisnormativität, Empowerment, Antidiskriminierung und Intersektionalität,
  • Bereitschaft, sich neben der Praxis auch mit Theorien und Konzepten auseinanderzusetzen.
  1. Termine und Veranstaltungsort:

Die Weiterbildungsmodule finden jeweils in der wunderschön gelegenen Evangelischen Akademie in Bad Boll (www.ev-akademie-boll.de) am Fuße der Schwäbischen Alb statt. Die Unterbringung ist in barrierefreien Einzelzimmern mit leckerer Vollpension (Bioqualität) organisiert.

Modul 1 (3 Tage): 22.-24.Januar 2018

Modul 2 (2 Tage): 23.-24.April 2018

Modul 3 (2 Tage): 28.-29.Juni 2018

Modul 4 (2 Tage): 18.-19.Oktober 2018

Modul 5 (3 Tage): 10.-12.Dezember 2018

Da der Gruppenprozess eine zentrale Rolle in der Weiterbildung spielt, wäre es schön, wenn Sie/ihr auch vor Ort übernachten. Sollte dies nicht möglich sein, dann bitten wir um einen möglichst frühzeitigen Hinweis.

Seminarzeiten (3 Tage):

  1. Tag: 10:00 – 13:00 Uhr 14:30 – 18:00 Uhr    19:00 – 20:30 Uhr
  2. Tag: 10:00 – 13:00 Uhr 14:30 – 18:00 Uhr    19:00 – 20:30 Uhr

3.Tag:                               09:00 – 13:00 Uhr                        14:30 – 17:00 Uhr

Seminarzeiten (2 Tage):

  1. Tag: 10:00 – 13:00 Uhr 14:30 – 18:00 Uhr    19:00 – 20:30 Uhr

2.Tag:                               09:00 – 13:00 Uhr                        14:30 – 17:00 Uhr

  1. Zertifikat:

Die Teilnehmenden erhalten ein Zertifikat „Empowerment quer gedacht – eine horizontale Weiterbildung zur Empowerment-Trainer*in“, wenn sie

  • an den Weiterbildungsmodulen regelmäßig teilnehmen (max. 2 Tage Fehlzeiten) und
  • ein eigenes kleines Empowermentangebot (z.B. ein Workshop, eine Aktion) konzipiert, durchgeführt und dieses reflektiert haben.
  1. Das Leitungsteam:

Im letzten Jahr haben wir als Leitungsteam auf dem Hintergrund unserer vielfältigen persönlichen und professionellen Erfahrungen eine gemeinsame Weiterbildungskonzeption erarbeitet. Wir werden bei allen fünf Modulen zu fünft zusammen mit der Gesamtgruppe arbeiten. Jeweils ein bis zwei Personen begleiten eine der drei Kleingruppen von maximal fünf zukünftigen Trainer*innen.

L. Haug, Jg. 1983 – Sozialwissenschaftler_in mit Schwerpunkt Gender und Queer Studies, Weiterbildung zur Antidiskriminierungsberater_in. Seit langem queeraktivistisch tätig in verschiedenen Gruppen, Netzwerken und Angeboten. Co-leitet eine Empowermentgruppe für trans/inter/genderqueere Personen in der Region Tübingen/Reutlingen. Er_sie ist Mitarbeiter_in der Geschäftsstelle des Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg und Vorstand im Netzwerk Antidiskriminierung e.V. Region Reutlingen/Tübingen.

Josephine Jackson, Jg. 1984Sozialarbeiterin mit den Schwerpunkten Rassismuskritik und internationale Soziale Arbeit, Antidiskriminierungsberaterin und Empowerment-Trainerin mit langjähriger Erfahrung in der Empowermentarbeit mit Schwarzen Menschen und Menschen mit Rassismuserfahrung. Sie leitet freiberuflich Schulungen und Workshops zu den Schwerpunkten Rassismuskritik, Intersektionalität und Antidiskriminierungspädagogik und ist Sprecherin der LAG Mädchenpolitik Baden-Württemberg.

Maria Kechaja, Jg. 1978 – Empirische Kulturwissenschaftlerin mit den Schwerpunkten kritische Migrations- und Rassismusforschung, Antidiskriminierungsberaterin, Mentorin und künstlerische Leitung des Jugendkulturprojekts TALK in Reutlingen (https://www.facebook.com/TALKprojekt). Sie ist angestellt beim Projekt IKÖ³ im Bereich Praxisentwicklung des Fachdiensts Jugend, Bildung, Migration der BruderhausDiakonie Reutlingen. Freiberuflich gibt sie Workshops und Inhouse-Schulungen mit thematischen Schwerpunkten auf Empowerment, Rassismuskritik, rassismuskritischem Feminismus und Arbeit mit künstlerischen Ausdrucksformen.

Borghild Strähle, Jg. 1967 – Diplom Sozialpädagogin (FH), langjährige Erfahrung in feministischer Mädchenarbeit und in der Erwachsenenbildung. Freiberuflich tätig als Trainerin für Selbstbehauptung für Mädchen und Frauen mit Behinderungen. Seit 2015 aktive Mitarbeit im Netzwerk Antidiskriminierung e.V. Reutlingen/Tübingen und seit April 2017 hauptberuflich angestellt mit den Schwerpunkten Antidiskriminierungsberatung sowie Fort- und Weiterbildungen zu Antidiskriminierung. Derzeit Vorständin des Mädchentreff e.V. Tübingen und Beiratsvorsitzende des Frauenprojektehaus Tübingen e.V.

Elisabeth Yupanqui Werner, Jg. 1971Diplompädagogin, psychodramatische Supervisorin und Coach (DGSv), langjährige Erfahrung in den Themenfeldern Kooperation Jugendarbeit & Schule, ressourcenorientierte Kompetenzentwicklung, Rassismuskritik und Diversity. Leiterin des Projektes „Empowerment-quer gedacht“ im Institut für diskriminierungskritische Praxisentwicklung des Netzwerk Antidiskriminierung Reutlingen/Tübingen. Sie arbeitet freiberuflich zu den Schwerpunkten Empowerment, Ressourcen- und Gemeinwesenorientierung. Sie ist Mitglied im Netzwerk Rassismuskritische Migrationspädagogik Baden-Württemberg.

  1. Kosten:

Das Projekt „Empowement quer gedacht“ wird über das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ bezuschusst. Für die Teilnehmenden fallen insgesamt Teilnehmendengebühren in Höhe von 1.200.-€ an. Darin enthalten sind die Seminargebühren und Kosten für die Übernachtung und Vollverpflegung.

Nicht enthalten sind die jeweiligen Fahrtkosten zum Veranstaltungsort.

Sollten Sie bei der bei der Finanzierung der Weiterbildung Schwierigkeiten haben, können Sie sich gerne an uns wenden, wir können Ihnen evtl. mit einer Ermäßigung entgegenkommen.

  1. Bewerbung:

Bitte bewerben Sie sich/Du dich bis 13.10.17 bei borghild.straehle@nw-ad.de oder postalisch: Netzwerkantidiskriminierung z.Hd. Borghild Strähle Fürststr. 3, 72072 Tübingen, (und dem Hinweis „Persönlich“)  mit vollständig ausgefülltem beiliegendem Bewerbungsbogen. Bei Rückfragen können Sie sich/Du dich an Borghild Strähle (Tel: 07071/14310-43) oder Elisabeth Yupanqui Werner (Tel. 0176-45033663) wenden.

Da die Weiterbildung auf insgesamt 15 Teilnehmende beschränkt ist, möchten wir möglichst mit allen Bewerber*innen, ein Gespräch (30min) führen. Bitte reservieren Sie sich/Du dir doch schon einmal folgendes Zeitfenster für die Kennenlerngespräche:

Gespräch mit Maria Kechaja und Josephine Jackson (Erfahrung Black_People of Color):

Montag, 16.10.17 von 13:00 bis 17:00 Uhr.

Gespräch mit Borghild Strähle (Erfahrung Ableism/Behinderung):

Montag, 23.10. von 14:00 bis 17:00 Uhr oder

Montag, 06.11. von 14:00 bis 17:00 Uhr

Gespräch mit L.Haug und Elisabeth Yupanqui Werner (Erfahrung LSBTTIQ):

Freitag, 20.10.17 von 15:00 bis 18:00 Uhr.

Da uns wichtig ist, die Teilnehmenden möglichst persönlich kennenzulernen, freuen wir uns, wenn Sie/wenn Du zum Gespräch nach Tübingen kommen können/kommen kannst. Die Gespräche finden in der Fürststr. 3 statt oder – da unsere Büroräume momentan nur eingeschränkt barrierefrei sind – in entsprechend barrierefreien Räumen. Ein Gespräch per Skype oder am Telefon ist ebenfalls möglich. Bitte unbedingt im Formular ankreuzen.

Im Anschluss an die Bewerbungsgespräche werden wir bei einer größeren Anmeldezahl als 15 Personen als Leitungsteam die schwierige Aufgabe haben, zu entscheiden, welche Personen bei der Pilotphase teilnehmen können. Bei der Auswahl werden die verschiedenen lokalen Antidiskriminierungsberatungsnetzwerke, die sich im Landesnetzwerk zusammengeschlossen haben miteinbezogen.

Die Frage, ob jemand ein*e gute*r Empowermenttrainer*in ist oder werden kann, entscheidet sich nicht nur nach formellen Kriterien, sondern ist vor allem auch eine Frage persönlicher Kompetenzen und der notwendigen Rahmenbedingungen. Insofern ist uns bewusst, dass die Entscheidung nicht einfach sein wird und wir bitten um Verständnis für unser Vorgehen.

Sie /Du bekommen/bekommst bis zum 10. November 2017 von uns Bescheid.

Credits /eine Danksagung geht an Pasquale Rotter (http://empowering-diversity.tumblr.com), deren Empowerment-Trainings manche von uns besuchen durften, die aber auch, gemeinsam mit Sebastian Fleary (http://www.bildungswerkstatt-migration.de/team.html), vor längerer Zeit eine Konzeption solch einer horizontalen Empowerment-Weiterbildung entwickelt hat, die leider nie umgesetzt werden konnte, uns jedoch in unseren Diskussionen und Gedanken inspiriert hat.

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