Antidiskriminierungsarbeit ist in Deutschland ein noch immer zu wenig beachtetes Arbeitsfeld. Dem steht gegenüber, dass ein großer  Bevölkerungsanteil regelmäßig Diskriminierungserfahrungen macht und Strategien entwickeln muss, damit umzugehen.

Die Verabschiedung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) im Jahr 2006 hat Rechte, sich individuell gegen Diskriminierung zu wehren, gestärkt und Antidiskriminierungsstrategien gesellschaftlich sichtbarer gemacht.

In Baden-Württemberg hat das Ministerium für Integration mit der Förderung von kommunalen und regionalen Netzwerken dem Thema einen wichtigen Anschub gegeben.

Antidiskriminierungsberatung ist ein relativ junges Feld der Sozialen Arbeit. Es erfordert in besonderer Weise eine Beratung und Unterstützung von Betroffenen auf der Grundlage  parteilicher Grundhaltung. Bundesweit gibt es dafür schon definierte Qualitätsstandards, einen Pool unterschiedlicher Interventionsmöglichkeiten und  theoretische fundierte Praxiserfahrungen.

Der Arbeitsmarkt in Süddeutschland bietet allerdings keine „fertigen“ AD-Berater_innen. Wenn das Ziel ist, in verschiedenen Städten und Regionen Baden-Württembergs eine professionelle Antidiskriminierungsberatung zu etablieren,  brauchen wir Professionelle, die in der Lage sind, diese Beratung als angestellte Berater_innen oder auf Honorarbasis anzubieten.

Auf dieses Basis hat die BruderhausDiakonie Reutlingen in Kooperation mit dem Netzwerk Antidiskriminierung e.V. Region Reutlingen/Tübingen und dem Antidiskriminierungsverband Deutschland (advd) ein Weiterbildungskonzept entwickelt und als Pilotprojekt durchgeführt. Die 18 Teilnehmenden kamen aus der Region Reutlingen und Tübingen, sowie aus den anderen vom Ministerium geförderten Netzwerken. Die Weiterbildung wird im Rahmen des Projektes „Antidiskriminierung qualifizieren“ vom Ministerium für Integration finanziert.

Nach dem Pilotdurchgang wollen wir nun mit einem zweiten landesweit ausgeschriebenen Durchgang allen Netzwerken die Möglichkeit geben, einzelne Akteure in diesem Arbeitsfeld zu qualifizieren.

Die Weiterbildung besteht aus fünf aufbauenden zweitägigen Modulen in einer geschlossenen Weiterbildungsgruppe. Die Module werden geleitet von erfahrenen Berater_innen aus im advd.

Ziele und Inhalte

Das Ziel der Weiterbildung Einzelfallberatung in der Antidiskriminierungsarbeit besteht darin, Kernkompetenzen für Erstberatung und spezialisierte Antidiskriminierungsberatung auf der Grundlage der Standards des advd zu vermitteln und auf der Grundlage der jeweiligen Arbeitsfelder der Teilnehmer_innen zu reflektieren. Die Teilnehmer_innen setzen sich mit zentralen Aspekten qualifizierter Antidiskriminierungsberatung auseinander, vollziehen relevante Diskussionen nach, reflektieren kritisch ihre eigene Grundhaltung und erarbeiten sich ein eigenes Diskriminierungsverständnis und eignen sich die wichtigsten Interventionsmethoden ein. Dabei werden auch zentrale Diskriminierungsbereiche (Arbeit, Wohnen, Freizeit/Dienstleistungen, Behörden/Polizei) sowie verschiedene Diskriminierungsmerkmale (zugeschriebene Herkunft/Sprache/ Religion, Geschlecht/Sexuelle Orientierung, Krankheit/Behinderung) bearbeitet.

Wir werden uns in der Weiterbildung auf die Einzelfallberatung konzentrieren, obwohl nach unserem konzeptionellen Verständnis zu einer professionellen AD-Arbeit auch die Arbeitsfelder Empowerment, Kampagnen-/Öffentlichkeitsarbeit, Vernetzung, Fortbildung, Sensibilisierung zu rechnen sind. Diese Arbeitsfelder kommen in der hier geplanten Weiterbildung nur insofern vor, als sie sich als Intervention aus dem Einzelfall ergeben.

Zielgruppe und Teilnahmevoraussetzungen

Die Weiterbildung richtet sich an Professionelle, die sich weiterqualifizieren wollen, um nach Abschluss der Weiterbildung eigenständige Beratungsprozesse führen zu können.

Die Weiterbildung kann keine Beratungsausbildung ersetzen und keine Einführung in Themen wie Rassismus etc. geben. Wir setzen daher Standards für die Teilnahme voraus.

  • Grundkenntnisse in der Berater_innen-Rolle
  • persönliche und berufliche Auseinandersetzungen in einem „diskriminierungsrelevanten“ Feld
  • Erfahrung und Bereitschaft, das eigene Handeln in einem Kontext von Macht und Herrschaft kritisch zu reflektieren

Diese Voraussetzungen müssen in einem Auswahlverfahren geprüft werden. Ein Bewerbungsbogen liegt vor und kann angefordert werden.

Die Weiterbildung richtet sich zunächst an die bestehende Antidiskriminierungsnetzwerke im Land. Sollten hier nicht alle Plätze belegt werden, können auch andere Teilnehmende zugelassen werden.

Methoden

  • Vermittlung theoretischer Grundlagen, Selbstreflexion und Praxistransfers anhand von Fällen mit expliziter Bezug zum eigenen Arbeitskontext
  • Weiterbildungsbegleitendes Selbststudium und Praxisarbeit.

 

Termine
1. Modul Juni 2016
2. Modul September/Oktober 2016
3. Modul Dezember/Januar 2017
4. Modul März 2017
5. Modul Mai 2017

 

Referent_innen

Eine durchgängige Leitung (ADB Sachsen) im Team mit wechselnden Trainer_innen, die verschiedene Beratungsformate und inhaltliche Schwerpunkte mitbringen. Alle Trainer_innen arbeiten selbst als Berater_innen in den Mitgliedsorganisationen des advd.

Orte

  • Zentrale Ort: Stuttgart/Karlsruhe
  • Oder jedes Modul in einer anderen beteiligten Stadt

Kosten

Ca. 500 €/Pro Person

Lokale Einstiegsmodule

Die Weiterbildung wird vom advd in diesem Durchgang ohne niederschwellige Einstiegsmodule, sondern in 5 zweitägigen Modulen  für eine durchgängige Gruppe angeboten.  Lokale Netzwerke können lokale eintägige Einstiegsveranstaltungen anbieten, die von Teilnehmenden der ersten Weiterbildung angeboten werden. Diese eintägigen Schulungen bieten den Teilnehmenden wie uns, die Möglichkeit, die Passung der Weiterbildung zu prüfen.

Anmeldungen und Organisation

Andreas Foitzik
Bereich Praxisentwicklung

Fachdienst Jugend, Bildung, Migration
BruderhausDiakonie
Fürststraße 3, 72072 Tübingen

Telefon: 070717955912, Mobil: 0157 7166 4243
andreas.foitzik@bruderhausdiakonie.de

 

Die Module

Modul 1: Grundlagenmodul

  • Was ist Diskriminierung? Was bedeutet Antidiskriminierungsberatung?
  • Wie sieht ein rechtliches Verständnis von Diskriminierung aus (inklusive AGG-Grundlagen), wie sieht ein beraterisches Verständnis aus?
  • Welche Rolle spielen die eigene Positioniertheit, Diskriminierungserfahrungen, und die eigene Verwicklung und der Umgang mit bestehenden Machtverhältnissen?

Modul 2: Antidiskriminierungsberatung als Prozess

Anforderungen an Antidiskriminierungsberatung – vertiefter Überblick über Interventionsformen, Erarbeiten von Grundlagen zu Auftragsverhandlung, Prozessnavigation und Abschluss. Arbeit an der eigenen Haltung. Sprechen im Geschützen Raum als Grundlage der Beratung. Besonderer Blick auf die Bedeutung von Positionierung/Positioniertheit und  Empowerment im Verlauf von Beratungsprozessen.

Modul 3: Interventionsplanung  – einzelfallbezogen

Planen und Entscheiden von Interventionen auf der Grundlage einer Orientierung an den Anliegen von Menschen, welche ein Beratung und Unterstützung suchen: Auf den Einzelfall bezogenen Interventionen, gerichtlich und außergerichtlich. Rechtliche Grundlagen, Entscheidungskriterien, Anforderung an Begleitung rechtlicher Schritte und außergerichtlicher Interventionen an Betroffene, Berater_innen, Beratungsstellen und Netzwerke.

Modul 4: Interventionsplanung  – fallübergreifend

Planen und Entscheiden von Interventionen, die fallübergreifend ansetzen. Vorgehen von und Bedeutung der Dokumentation und Öffentlichkeitsarbeit. Grundlagen und Entscheidungskriterien für Interventionen. Jeweilige Anforderung an Betroffene, Berater_innen, Beratungsstellen und Netzwerke.

Modul 5: Fallarbeiten mit eigenem Praxisbezug

Die Teilnehmer_innen stellen einen eigenen Fall vor, der in der Gruppe diskutiert wird (oder ähnliches).

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